Presse-Info
Vom 6. bis 10. September 2021 ist die ASSOCIAZIONE NAZIONALE EX INTERNATI NEI LAGER NAZISTI VOLONTARI DELLA LIBERTA (ANEI) auf Einladung in Hamburg. Orlando Materassi, Präsident der ANEI, wird dabei von der Historikerin Silvia Pascale begleitet.
Die ANEI wurde als Organisation nach 1945 in Italien von überlebenden italienischen Militärinternierten gegründet. Als solche bezeichneten die Nationalsozialisten italienische Soldaten, die nach der Verkündung des Waffenstillstands zwischen Italien und den Alliierten am 8. September 1943 als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt wurden. Sie weigerten sich, an der Seite der deutschen Wehrmacht bzw. der faschistischen Republik von Saló in Norditalien in den sinnlosen Weltkrieg zu ziehen. Heute sind es vor allem ihre Familien, die an diese lange vergessene Geschichte erinnern.
Orlando Materassi, Präsident der ANEI: „In Hamburg waren ab September 1943 über 15.000 italienische Militärinternierte untergebracht und mussten Zwangsarbeit leisten. Die Bedingungen in den Lagern und an den Arbeitsplätzen müssen schrecklich gewesen sein. Mein Vater war IMI und hat seine Erfahrungen in einem Tagebuch festgehalten. Er erzählte vom Hunger, von den Kameraden, die an Krankheiten starben, und von den hygienischen Verhältnissen.“
Während der Woche finden Gespräche mit Vertretern der Stadt und der Politik in Hamburg statt. Es wird auch Gespräche mit Unternehmensvertretern geben, deren damalige Verantwortliche italienische Militärinternierte eingesetzt haben. Es werden Orte besucht, an denen sich Zwangsarbeitslager befanden. Außerdem werden Stadtteilrundgänge durch Hamburger Stadtteile wie das Schanzen- und Karolinenviertel stattfinden.
Silvia Pascale, Historikerin, Forscherin, Dozentin und Nationalrätin der ANEI: „Als Historikerin arbeite ich täglich daran, Familien bei der Suche nach Dokumenten zu helfen, die die Deportation und Zwangsarbeit der IMI bezeugen. Ich kümmere mich jeden Tag um viele Anfragen, es ist eine unermüdliche und ermüdende Arbeit, vor allem, wenn ich mich mit IMI befassen muss, die während der Haft gestorben sind, wie mein Onkel, bei dem es noch schwieriger ist, die Dokumente zu finden. Es gibt viele Familien in Italien, die absolut nichts über die Orte wissen, an die ihre Angehörigen deportiert wurden, und in vielen Fällen nicht einmal, wo sie gestorben sind. Gemeinsam mit Orlando Materassi freue ich mich auf Informationen und eine mögliche zukünftige Zusammenarbeit während unserer Gespräche in Hamburg.“
Höhepunkt des Besuchs wird eine Kundgebung vor dem Lagerhaus G am Dessauer Ufer auf dem Kleinen Grasbrook am 8. September 2021 um 17:30 Uhr sein. Ab Herbst 1943 mussten Tausende von italienischen Militärinternierten in den drei Lagerhäusern F, G und H leben. Später wurden sie auf mehr als 200 Zwangsarbeitslager in Hamburg verteilt. Ab Juli 1944 war im Lagerhaus G ein Außenlager des KZ Neuengamme.
Zunächst wurden dorthin 1.500 jüdische Frauen, die aus dem Konzentrations-und Vernichtungslager Auschwitz überstellt worden waren eingeliefert, anschließend 2.000 männliche Häftlinge.
Auf der Kundgebung werden auch Angehörigen von KZ-Häftlingen und italienischer Militärinternierter aus dem Lagerhaus G sprechen. Floris Hommes kommt aus Groningen angereist. Sein Großonkel, Gerrit Christiaan Hommes, war hier im Außenlager des KZ-Außenlager am Dessauer Ufer und starb dort am 21. Februar 1945. Floris Hommes engagiert sich als Vorsitzender der Stiftung LAGERHAUS G Heritage FOUNDATION, dem heutigen Eigentümer des Lagerhaus G: “Das Leid und die Entrechtlichung der KZ-Häftlinge darf niemals vergessen werden. Es ist wichtig daran zu erinnern. Auch die Kundgebung stellt einen Anlass dar, auf das Lager und das Leid der Insassen bzw. Häftlinge aufmerksam zu machen. Das sind wir unseren Angehörigen als Nazi-Opfern schuldig. Uns ist es ein großes Anliegen, dass das Lagerhaus G ein Erinnerungsort wird, für den wir uns in Gesprächen in Hamburg immer wieder engagieren.”
Sie alle wurden als Zwangsarbeiter_innen unter Aufsicht der SS eingesetzt. Jonas Jakubowski von der Initiative Dessauer Ufer:“Viele Hafenbetriebe, Rüstungsunternehmen, Bau- und Mineralölindustrie sowie die Stadt Hamburg profitierten vvon der Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen und italienischen Militärinternierten. Als Initiative fordern wir die Einrichtung einer Gedenkstätte im Lagerhaus G sowie nichtkommerzielle und solidarische Räume für das neue Viertel, das in den kommenden Jahren auf dem Kleinen Grasbrook entstehen wird.“
Auf der Kundgebung werden Angehörige ehemaliger KZ-Häftlinge sprechen. Ein Sohn eines italienischen Soldaten, der im Lagerhaus G interniert war, wird ebenfalls zu Wort kommen.
Die Einladung und der Besuch werden von der Projektgruppe italienische Militärinternierte in Hamburg 1943-45 organisiert, einem Zusammenschluss verschiedener Gruppen und Initiativen in Hamburg.
Unter https://imiinhamburg.WordPress.com finden Sie umfassende Informationen über den Besuch und die italienischen Militärinternierten in Hamburg.
Hamburg, den 25. August 2021