Warum eine Kundgebung am 8. September 2021 am Dessauer Ufer?

In Hamburg wurden zwischen September 1943 und Mai 1945 tausende italienische Militärinternierte zur Arbeit gezwungen. Als Soldaten waren sie von der deutschen Wehrmacht im Herbst 1943 nach Deutschland verschleppt. Warum soll gerade am 8. September 2021 an sie erinnert werden und warum vor den Lagerhäusern am Dessauer Ufer?

Warum am 8. September?

Im Juli 1943 wurde Benito Mussolini, der faschistische Diktator Italiens und Verbündete Hitlers, gestürzt. Am 8. September 1943 schloss die neue italienische Regierung einen Waffenstillstand mit den Westalliierten. Daraufhin besetzte die deutsche Wehrmacht das Land, entwaffnete die italienischen Streitkräfte und verschleppte rund 600 000 italienische Soldaten nach Deutschland und setzte sie zur Zwangsarbeit.

Als „Militärinternierten“ wurde ihnen der für Kriegsgefangene geltende internationale Schutz verweigert. Die deutsche Bevölkerung beschimpfte die ehemaligen Verbündeten als Verräter und – in Anspielung auf den neuen italienischen Regierungschef Badoglio – als „Badoglio-Schweine“. In den Lagern und Gefängnissen wurden sie oft besonders schlecht behandelt. Rund 50 000 Italienische Militärinternierte (IMI) kamen während der Gefangenschaft durch Gewalt, Hunger und Kälte ums Leben.

Das von den Deutschen wieder eingesetzte Mussolini-Regime (RSI) warb unter den Internierten dafür, an deutscher Seite weiter zu kämpfen. Die übergroße Mehrheit lehnte das ab und wurden so zu „italienische Militärinternierten.“

Im Herbst 1944 wurden die italienischen Soldaten in den Zivilstatus überführt, um sie als ‚zivile‘ Zwangsarbeiter effektiver in der Rüstungsindustrie einsetzen zu können. Die Bundesregierung erklärte diesen Statuswechsel 2001 für völkerrechtlich unwirksam. So galten die Überlebenden weiterhin als Kriegsgefangene und blieben, wie alle Kriegsgefangenen, von einer Entschädigung ausgeschlossen.

Warum vor den Lagerhäusern am Dessauer Ufer?

Für die ersten „Ankunftswellen“ in Hamburg wurden seit Anfang September 1943 von den Nazis auf die Schnelle 11.000 Barackenplätzen geschaffen, davon 6.000 in die Gebäude des Lagerhaus F, Lagerhaus G und Lagerhaus H am Dessauer Ufer. Rund 1.000 wurden im Alten Wandrahm in der Speicherstadt geschafft und die tausende in den Hamburger Schulen im Stadtkern der Stadt.

Nach der Dezentraliserung der italienischen Militärinternierten vor allem aus den großen Massenunterkünften am Dessauer Ufer und dem Alten Wandrahm auf viele kleiner Zwangsarbeitslager waren ab 1944 1.800 italienische Militärinternierte ins Lagerhaus F aus Sandbostel gekommen. Im Lagerhaus H waren es 800 sowjetische Zwangsarbeiter. Im Lagerhaus G war ein Lager des GHB mit 500 IMIs.

Seit Juni 1944 wurden in einem Teil des Lagerhaus G ein Außenlager des KZ Neuengamme aufgebaut worden, in dem von Juli bis September 1944 1.500 jüdische Frauen aus dem KZ Auschwitz eingesperrt worden wurden. Ab September 1944 waren es 2.000 männliche KZ-Häftlinge aus Neuengamme.

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