Zur Klage der Bundesregierung gegen Entschädigungsansprüche von italienischen NS-Opfer

Der AK Distomo nimmt Stellung zu einem Antrag der Bundesregierung vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag vom 29. April 2022, der sich gegen die Entschädigungsansprüche von NS-Opfern in Italien richtet, zu denen auch die italienischen Militärinternierten gehören. Der Antrag wurde am 6. Mai 2022 zwar wieder zurückgezogen hat, aber so die Darstellung eines möglichen schmutzigen Deals der beiden Regierungen. Hier die Erklärung im Wortlaut:

Machtpolitik statt Menschenrechte – UNO-Gericht als DrohkulisseErklärung zu der Rücknahme der Klage Deutschlands gegen Italien in Den Haag

Deutschland hat im Streit um Entschädigungszahlungen wegen
Nazi-Verbrechen im Zweiten Weltkrieg in Italien vor dem Internationalen
Gerichtshof (IGH) am 29.4.22 in den Den Haag Klage gegen Rom
eingereicht. Deutschland will verhindern, dass italienische Gerichte
weiterhin über die Ansprüche von NS-Opfern entscheiden. Es geht vor
allem um Prozesse ehemaliger NS-Zwangsarbeiter, darunter viele
sogenannte „Militärinternierte“, die von Deutschland keine Entschädigung
erhalten haben. Die Überlebenden der Naziverbrechen bzw. deren
Nachkommen klagen vor italienischen Gerichten, weil sie keine andere
Möglichkeit haben zu ihrem Recht zu kommen. Die Bundesregierung
verweigert beharrlich jegliche Zahlungen.

Deutschland hat zum zweiten Mal den IGH angerufen, um seine Interessen
gegen die NS-Opfer durchzusetzen. Dadurch sollen u.a. bereits ergangene
Urteile außer Kraft gesetzt werden. Außerdem fordert Deutschland
Entschädigungszahlungen von Italien. Dieser Schritt ist rechtsmissbräuchlich, denn der IGH hat keine Kompetenz um über die
Ansprüche von Individuen zu entscheiden. Der IGH ist nur für zwischen-staatliche Konflikte zuständig. Das erneute Ansinnen
Deutschlands stellt einen Angriff gegen die NS-Opfer, aber auch gegen die Unabhängigkeit der italienischen Justiz und das Prinzip der Gewaltenteilung dar.

Das höchste Gericht der Vereinten Nationen hatte vor zehn Jahren nach einem langen Rechtsstreit geurteilt, dass Deutschland sich auf den Rechtsgrundsatz der Staatenimmunität stützen dürfe und dass Klagen von NS-Opfern vor Zivilgerichten unzulässig seien. Der IGH hatte schon
damals seine Kompetenzen überschritten. Daher entschied das Italienische
Verfassungsgericht 2014, dass die Entscheidung aus Den Haag für die
italienischen Gerichte nicht bindend sei. Die Bürgerinnen und Bürger müssten im Fall von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit die Möglichkeit haben vor Gericht ihr Recht zu suchen. Trotz einer
Vielzahl von Verurteilungen durch italienische Gerichte missachtet Deutschland diese Entscheidungen. Deutschland erklärt sich für immun und behauptet, dass Klagen vor Zivilgerichten im Ausland nicht zulässig sein.

Die italienischen Kläger sind nun dazu übergegangen deutsche Liegenschaften in Italien zwangsversteigern zu lassen. Es handelt sich um Liegenschaften in Rom, in denen sich die Deutsche Schule, das Goethe Institut, das Archäologische Institut und das Deutsche Historische Institut befinden. Am 25. Mail soll ein Vollstreckungsgericht in Rom entscheiden, ob diese Liegenschaften zwangsversteigert werden.

Mit der Klage in Den Haag beweist Deutschland einmal mehr, dass all die
warmen Worte an Gedenktagen für die Opfer der NS-Verbrechen nur Heuchelei und schöner Schein sind. Wenn es darauf ankommt, verhält Deutschland sich wie ein Schurkenstaat und tritt die Rechte der NS-Opfer mit Füßen. Die meisten Opfer der NS-Verbrechen haben bis heute keine
Entschädigung erhalten.

Deutschland wollte ursprünglich den IGH dazu bringen, durch vorläufige
Maßnahmen die anstehenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen deutsche Liegenschaften zu stoppen. Doch bevor darüber beim Gericht verhandelt
werden konnte, wurde dieser Antrag zurückgenommen. Nach Medienberichten
sei dies deshalb geschehen, weil zum 1. Mai in Italien ein Gesetz in Kraft getreten sei, dass es Gerichten verbiete, deutsches Staatseigentum auf italienischem Boden zu konfiszieren. Offenbar hat die deutsche
Regierung mit der italienischen einen schmutzigen Deal zu Lasten der Opfer durchgesetzt. Im Ergebnis wird dies die Prozesse in Italien nicht verhindern können, aber so lange verzögern bis die letzten Überlebenden der NS Verbrechen tot sind. Dies ist das schäbige deutsche Kalkül: Die
biologische Lösung der Entschädigungsfrage.

Seit dem Pariser Reparationsabkommen von 1946 ist die Bundesrepublik zur
Zahlung von Entschädigungen in Höhe vieler hundert Milliarden gegenüber
den einzelnen von Nazi-Deutschland überfallenen Ländern verpflichtet.
Gezahlt wurde so gut wie nichts. Es ist ein Zeichen fehlenden Verantwortungsbewusstseins und fehlender Moral, wenn 77 Jahre nach Ende
des Zweiten Weltkrieges mit aller juristischen und diplomatischen Wucht
gegen Italien vorgegangen wird, um deren unabhängige, die Menschenrechte
und die Menschenwürde der NS-Opfer wahrende Justiz zu brüskieren. Vor
diesem Hintergrund ist es ein Alarmsignal, wenn gleichzeitig ein “Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro Verwendung für Deutschlands Aufrüstung und damit für neue Kriege finden soll. Das Geld ist da – der
Verwendungszweck ist falsch.

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